Zusammenfassung:

Die verborgene Geschichte der türkischen Independent-Labels in Deutschland von den 1960er bis zu den 1980er Jahren.
Text von Holger Lund.

Beginnend mit den sogenannten “Gastarbeitern” in den frühen 1960er Jahren bildete sich in Deutschland die größte türkische Gemeinschaft außerhalb der Türkei, die heute auf drei Millionen Menschen angewachsen ist. Dennoch wird die deutsche Musikgeschichte meist ohne Berücksichtigung der türkischen Musik in Deutschland geschrieben, und wenn es um türkische Plattenlabels in Deutschland geht, werden sie fast völlig vernachlässigt. Als erstes deutsches unabhängiges Label wird in der Geschichte der deutschen Schallplattenindustrie meist die David Volksmund Produktion (gegründet 1971) oder Trikont (gegründet 1972) genannt – obwohl das nicht stimmt. Tatsächlich war die erste, größte und kommerziell erfolgreichste unabhängige Plattenfirma in Deutschland Türküola. Gegründet 1964 von Yılmaz Asöcal in Köln, veröffentlichte Türküola mehr als tausend Singles, Alben und Kompilationen türkischer Künstler*innen und verkaufte Millionen von Schallplatten und Kassetten, vor allem an die türkische Community in Deutschland. Und Türküola war nur eine von einer viel größeren Zahl unabhängiger türkischer Plattenfirmen in Deutschland, wie z.B. Minareci (gegründet 1969) und Uzelli (gegründet 1971).

Da diese Labels keinen Zugang zu den relevanten offiziellen Vertriebskanälen der deutschen Schallplattenindustrie (Hitparaden, Medien, Fachgeschäfte) hatten, mussten sie ihre eigenen Vertriebskanäle erfinden, mit Lebensmittelgeschäften und Gemischtwarenläden als Hauptverkaufsstellen und türkischen Zeitungen als Werbemedien. In einer Kombination aus medien- und kulturwissenschaftlichen sowie musikwissenschaftlichen Perspektiven wird der Diskurs (oder das Fehlen desselben) über diese unabhängigen Labels und die mit ihnen verbundene Musik analysiert, um zu verstehen, warum die Labels von den offiziellen Vertriebskanälen ausgeschlossen wurden und warum sie bis heute aus der Kultur- und Musikgeschichte herausgeschrieben sind. Nach fast 60 Jahren türkischer Musik, die in Deutschland gemacht und produziert wurde, gibt es immer noch keine umfassende Geschichte der türkischen Musik in und aus Deutschland, geschweige denn eine Geschichte ihrer Musiklabels. Eine Tatsache, die es zu erforschen, zu hinterfragen und zu diskutieren gilt.

Publikation: The hidden history of Turkish independent labels