Keine Frage, kritisches Design ist in Mode. Spekulative Designlabs generieren ambivalente Visionen einer künftigen technisierten Welt. Design-Beratungen vermarkten mit Design Thinking visuelle Kritik als Strategie- und Managementmethode. Social Designer_innen entwickeln – neben ihren wirtschaftlicheren Dayjobs – neue Konzepte für humanitäre Projekte, ökologische Verpackungen oder soziale Belange. Die Frage, was Design heute alles kann, muss, oder sein sollte, beschäftigt zahlreiche internationale Fachveranstaltungen. Ja, der Designbegriff insgesamt transformiert sich.

Viele dieser Ansätze sind tatsächlich gut gemeint und möchten versuchen, die Welt ein bisschen besser zu machen. Global betrachtet, könnte man das aber auch als eine Art neuen Design-Kolonialismus verstehen: Aus einer vornehmlich westlichen, weißen Mittelklasse-Welt heraus wird kritisches Design als ein allheilendes Versprechen in die Welt getragen. Zeigt sich in diesen Bestrebungen also eigentlich die alte Sinnfrage einer Disziplin, die mit ihrer kapitalistischen Wiege hadert, aber für weite Teile der Weltgesellschaft eben doch unzugänglich bleibt — ja sie gar marginalisiert?

Was meint dieser Begriff des Kolonialen? Und was meint er bezogen auf Design? Das fragt u.a. die multinationale Designforschungsgruppe »Decolonizing Design«, die gleich zu ihrem Einstand heftige Ablehnung erfuhr, als sie aus einer Designtagung mit der Begründung von Irrelevanz ausgeschlossen werden sollte. Vielleicht aber auch gerade weil ihr Ziel darin besteht, ein »informed understanding of the complexities, challenges, and political implications of designed things« zu erreichen. Oder wie Francisco Laranjo es fordert: Decolonizing Design als das Aufbrechen einer Nordatlantischen Achse zu verstehen, die die Designdisziplin und den internationalen Designdiskurs maßgeblich kontrolliert und monopolisiert.

Der heutige Dinnertime Talk wird diesen Fragen nachgehen, mit zwei Vertreter_innen der Decolonizing Design-Gruppe, Pedro Oliveira und Luiza Prado (Brasilien, www.decolonisingdesign.com), die zugleich als A Parede zusammenarbeiten (a-pare.de), sowie Francisco Laranjo (Porto/London, modesofcriticism.org), Design Researcher und Initiator der internationalen Publikationsreihe »Modes of Criticism«. Diskussionsgrundlage ist das Decolonizing Design Editorial, sowie das Statement zu Modes of Criticism.

Dr. Francisco Laranjo arbeitet als Grafik Designer, Autor und Designforscher in Porto (PT) und London (UK). Auf seiner Plattform »@modesofcriticism« beschäftigt er sich mit der Theorie und Praxis gestalterischer Kritik innerhalb der Designdisziplin. Er schreibt u.a. für den Design Observer, Eye Magazine, Creative Review, Grafik, und lehrt international als Gastdozent, etwa am Sandberg Institute (NL), dem Royal College of Art und Central Saint Martins (UK) oder der Hochschule der Künste Bern (CH). Außerdem war er als Gastredner kürzlich an der CalArts (US), an der Angewandten Wien (AT) oder der Universität Lissabon (PT) zu hören. Francisco promovierte an der University of the Arts London und hält einen MA in Visueller Kommunikation vom Royal College of Art. Er ist Co-Direktor des Shared Institute, einem Forschungszentrum für Design und radikale Pädagogik.

Pedro Oliveira und Luiza Prado haben soeben ihre Doktorarbeiten im Bereich der Designforschung an der Universität der Künste Berlin eingereicht. A Parede verstehen sie als Spielplatz für ihre Forschungen, für Texte über Designmethodologie, Design- und Lehrprojekte und andere Unterrichtsaktivitäten. Grundlage ist ihr Verständnis von Design als Methode für politisches Alphabetentum, die Befragung der Verantwortlichkeit von Praktiken als Wege, koloniale Strukturen zu sichern und fortzuschreiben, aber auch die Befragung von Gender- und Soundstrukturen. Ihr Ziel ist der Gebrauch, die Zweckentfremdung und der Missbrauch von Designwerkzeugen, um Gegenhegemonien sowie anti- und dekoloniale Zukunftsentwürfe zu entwickeln.
Luiza Prado studierte Grafikdesign an der Pontifícia Universidade Católica (Rio de Janeiro, Brazil), Pedro Oliveira hingegen an der Universidade Estadual Paulista (Bauru, Brazil). Beide schlossen einen Master in Digital Media an der Hochschule für Künste Bremen an.

Der Dinnertime Talk ist ein Format von und mit Prof. Dr. Klaus Birk und Prof. Dr. Holger Lund.

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