In letzter Zeit hat sich die türkische (Pop-)Musikgeschichtsschreibung verändert. Seit einigen Jahren veröffentlicht eine neue Welle türkischer Musikwissenschaftler*innen ihre Forschungen in englischer Sprache und beteiligt sich damit zum ersten Mal an einem globalen, englisch dominierten Diskurs über Musik und Musikgeschichte (was sprachlich ein koloniales Erbe darstellt). Gedik schreibt sogar über sein eigenes grundlegendes Buch Made in Turkey (2018), “dass eine so umfassende Sammlung [von Artikeln, die sich mit Musik aus byzantinischer Zeit bis heute befassen] nicht einmal in türkischer Sprache existiert” (Gedik, 2018, S. xv).
Forscher*innen aus der Türkei, die heute am globalen Musikdiskurs teilnehmen, ermöglichen es diesem Diskurs, neue Perspektiven auf die türkische Musikgeschichte einzunehmen, wobei viele bisher wenig bekannte Informationen einfließen, debattiert und weiterentwickelt werden und auch neue – dekoloniale – Perspektiven auf die türkische Musikgeschichte und -historiographie eröffnen.
Zu diesen Perspektiven gehört zum Beispiel eine Balkanisierung der türkischen Musik. Ein seltenes, überraschendes frühes geschichtliches Beispiel für die Balkanisierung des anatolischen Rock ist die ehemals jugoslawische Schallplatten-Miniserie Prva Muzička Balkanijada 1 & 2 (1964) mit den frühen anatolischen Rocksängern Erol Büyükburç und Tanju Okan.