In seinem theoretisch-historisch angelegten Vortrag legt Zöllner dar, wie eine breit rezipierte Medien­theorie der 1960er-Jahre, namentlich die spekulativen Thesen des in Nordamerika zum „Medienguru“ und Pop-Phänomen stilisierten Literatur­wissen­schaftlers Marshall McLuhan mit ihrem Leitmotiv eines neuen, globalen, nicht-linearen, holistischen Bewusst­seins um das Jahr 1968 herum sowohl die populäre Musik als auch Autor_innen/Aktivist_innen aus dem Umfeld der Bürgerrechtsbewegung und des zivilen Ungehorsams beeinflusst hat. Den revolutionäre Gestus der Zeit analysiert Zöllner zentral an drei zeit­genössi­schen Artefakten, die stark von den neuen medialen Ausdrucks­möglichkeiten ihrer Zeit geprägt wurden: der Song-Trias „Revolution 1“ / „Revolution 9“ / „Revolution“ der Beatles (1968); dem Buch „Revolution for the Hell of It“ von Free (= Abbie Hoffman, 1968) und dem Buch „Do It! Scenarios of the Revolution“ von Jerry Rubin (1970). An diesen Artefakten wird untersucht, wie sie die zeitgenössischen populären Thesen McLuhans rezipiert und inkorporiert haben. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem von McLuhan hypothetisierten Wandel des gesell­schaftlichen Bewusst­seins weg von einer linear-hierarchischen zu einer holistisch vernetzten, nicht-hierarchischen („akustischen“) Struktur.

Der Vortrag zeichnet nach, wie um 1968 ein Narrativ des „revolutionären“ Wandels popularisiert wurde, das bis heute die Wahr­nehmung der Chiffre „1968“ prägt und ab den 1980er-Jahren seinen Niederschlag in den digitalen Innovations- bzw. Disruptions-Ideologemen des Silicon Valley findet. Dieses Narrativ kreist im Kern um die Topoi der Vernetzung und Tribalisierung, hinter dem die Frage nach Visionen von Kollektivierung versus Individuali­sierung steht; es geht aber auch um den techno­logischen Wandel, der sich um 1968 vollzog und in allen drei exemplarisch untersuchten Dokumentenbündeln zu finden ist. Zöllner führte in seinem Ansatz, den Habitus von „1968“ nachzu­zeichnen, jedoch ebenso aus, wie unver­bindlich und schwammig dieser „revolutionäre“ Gestus erscheint – jedenfalls in der historischen Rückschau auf die Dokumente 50 Jahre später. Entsprechend leicht konnte und kann dieser Gestus kommerziell ausgebeutet werden.

Prof. Dr. Oliver Zöllner lehrt Medienforschung, internationale Kommunikation und Digitale Ethik an der Hochschule der Medien Stuttgart, wo er das Hochschulradio Stuttgart sowie gemeinsam mit Kolleg*innen das Institut für Digitale Ethik leitet. Zöllner ist zudem Honorarprofessor an der Universität Düsseldorf.

Oliver Zöllners Rückschau zu seinem Vortrag findet sich hier: https://www.hdm-stuttgart.de/science/view_beitrag?science_beitrag_ID=458