In einem Interview aus dem Jahr 2000 äußerte sich die deutsche CDU-Politikerin Rita Süssmuth über Musik von Migrant*innen dergestalt, dass es zu vermeiden sei, dass „rein ethnisch ausgerichtete Diskotheken“ entstünden. Süssmuth war damals Vorsitzende der „Unabhängigen Kommission Zuwanderung“, und stand, auch in ihren eigenen Parteireihen, in der Kritik für zu migrant*innenfreundliche Positionen. Immerhin konterte sie den Begriff der gesellschaftlichen „Belastungsgrenze“ bezogen auf Migration mit dem Begriff der „Bereicherung“. Aber klar blieb ihr, dass die „Entstehung von Parallelgesellschaften“ verhindert werden müsse. Hier sah sie die „Integrationsgrenze“.

Von einer fast zwanzigjährigen Forschung zu türkischer Popmusik der 1960er-1980er Jahre herkommend, die wir aufgrund ihrer spezifischen und mittlerweile international geschätzten Qualitäten in den Fokus nahmen, waren uns die Denkansätze aus dem damaligen Migrationsdiskurs, wonach „Vorlieben für türkische Musik vielfach als ein Festhalten an der Herkunftskultur und ein Traditionsrelikt verstanden und als solche als integrationshemmend bewertet werden“ (Maria Wurm), fremd. Dennoch sind dies wirkmächtige Ansätze, welche eine musikalische Praxis und ihre Bewertung entscheidend mitbestimmt haben.

Besagte Denkansätze ergänzen die Devaluation von türkischer (Pop-)Musik nicht nur im Kontext nationaler und historischer, sondern auch (semi-)kolonialer kultureller Entwertungspraktiken. Und sie wirken sich als konkrete Selbsteinschätzung aus, wie etwa, stellvertretend, bei der Musikerin und Musikforscherin Yaprak Uyar. Diese notierte unlängst: “As a DJ performing in my early 20s, I recall hiding my Balkan and Anatolian folk music knowledge inherited from my family among my peers, because those weren’t appreciated as ‘hip’ back in those times [2000er Jahre].”

Wie keine andere migrantische Musik in und aus Deutschland ist die Einschätzung der türkischen (Pop-)Musik seitens der Dominanzgesellschaft von Negativität, Unerwünschtheit und „Misstrauen“ (Wurm) geprägt gewesen, teilweise bis weit in die 2010er Jahre hinein. Wir möchten diskursanalytisch die Kontexte dieser Negativität und die damit verbundenen Bewertungsstrukturen in den Blick nehmen, um Aufschluss über Ausschlüsse an einer ganz besonderen innerdeutschen „Integrationsgrenze“ zu gewinnen.