»How will we live together?« – Die Frage, mit der der libanesische Architekt Hashim Sarkis die diesjährige Architektur-Biennale in Venedig als Kurator überschreibt, provoziert in ihrer Einfachheit. Als Designer*in ist man sofort versucht, Antworten zu imaginieren, Visualisierungen zu ersinnen, in »User Experiences« des Zusammenlebens zu denken. Doch die Frage geht tiefer. Sie bedarf nicht nur der zeitlichen Projektion von Gestaltungsoptionen in eine wie auch immer geartete Zukunft. Vielmehr bedingt jede Antwort zugleich eine Positionierung, wer eigentlich mit »wir« gemeint ist, und was mit »zusammen«. Welche Rolle spielt die Gesellschaft – sprich, die gemeinschaftlichen und damit politischen Gefüge – in dieser Antwort? Vor dem Hintergrund einer weltweiten Pandemie, die uns eben erst die ökologischen, ökonomischen und sozialen Grenzen globaler Vernetzung aufgezeigt hat, sowie den aktuellen Debatten um Gendergerechtigkeit und Dekolonialisierung, scheint das eine mehr als aktuelle Perspektive.
Die Gäste unseres kommenden Dinnertime Talks bewegen sich, aus unterschiedlichen Richtungen kommend, in eben jener Dimension von Gestaltung: der politischen. Der Bezug der Dimension ist hierbei durchaus passend, denn beide Gäste sind jeweils Expert*innen für die Entwicklung von Begegnungsräumen, insbesondere auch im urbanen Kontext. Mara Recklies (B), Designphilosophin an der HfK Bremen/HTW Berlin, und Hanna Noller (H), Architektin und Gründerin von Stadtlücken e.V., werden uns jeweils berichten, wie Design für sie konkret politisch wirkt. Dabei wird es um begrifflich-philosophische Perspektiven gehen, aber auch um ganz praktische Formen der Realisierung. Gemeinsam mit Holger Lund und Klaus Birk wollen wir diskutieren, wie Öffentlichkeit und Öffnung von Design-Domänen zusammenhängen und welche Rolle dabei der Gestaltung als Kritik zuteil wird.
Mara Recklies ist Philosophin und beschäftigt sich mit Design, wobei sie besonders die politischen Dimensionen von Gestaltung interessieren: zum Beispiel intersektional-feministische Perspektiven auf Design, die Probleme kapitalistischer Lebensformen und was von dekolonialen Denker*innen gelernt werden kann. Sie arbeitet an einer Dissertation über philosophische Designkritik und ist Lehrbeauftragte an der HfK Bremen und der HTW in Berlin. Zuvor hat sie in einem kooperativen Forschungsverbund der Universität Hamburg und der HFBK Hamburg, mit experimentellen Methoden zu urbanen- und künstlerischen Interventionen geforscht. Sie hat außerdem an der Köln International School of Design (KISD) der Hochschule für bildende Künste in Hamburg gelehrt und war Gastforscherin am Flusser Archiv der UdK Berlin.
Hanna Noller ist studierte Architektin und Betriebswirtin sowie gelernte Schreinerin. Sie forscht und lehrt am Institut für Entwerfen und Städtebau der Universität Hannover und wirkt in Stuttgart und Hannover als „Stadtmacherin“, unter anderem als Mitglied und Mitgründerin des gemeinnützigen Vereins STADTLÜCKEN e.V.. Von 2018-2020 war sie Koordinatorin des Forschungsprojektes Future City Lab – Reallabor für nachhaltige Mobilitätskultur an der Universität Stuttgart. Im WiSe 19/20 vertrat sie die Professur der Klasse für Entwerfen, Architektur und Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.