Schon in Über Popmusik (2014) legte Diedrich Diederichsen den Akzent auf bestimmte irreguläre Soundqualitäten bei seiner Auffassung der Besonderheit von Popmusik als recorded music. In seiner neuesten Publikation Körpertreffer (2017) geht er noch konzentrierter diesem Phänomen prinzipiell unwillkürlicher, unplanbarer und daher Verlebendigung und Körperpräsenz schaffender Sounds nach, wie sie der mediale Produktions- und Reproduktionsapparat erlaube, ja in spezifischer und kennzeichnender Weise generiere.

Nun kann man den Körpern der Musizierenden (wie auch der Hörenden) auf verschiedene Weise Präsenz verschaffen. Aber eben auch dem Körper der Musik. Und das durchaus auf planvolle, geplante Weise. Seit ein paar Jahren ist in einigen bass-relationierten Musikstilen wie (Post- oder auch Dirty) Grime, Deep Dubstep, Trap, Future Bass und Drum & Bass aber auch der Sound Art der Versuch zu beobachten, Musik eine neue Körperlichkeit via Sound zu verschaffen. Dies über Pitching, Bässe und Subbässe einerseits, über neue Klangräumlichkeiten andererseits. Musik wird geradezu (klang-)skulptural. Und diejenigen, die diese klangliche Hypotyposis neben den Musiker_innen besorgen, tauchen vermehrt nicht nur bei den Credits, sondern auch bei der Promotion auf: „Mastered and cut by…“ lautet hier die Formel, welche auf ein neues Musikbewusstsein schließen lässt, bei dem die (zeitlich gesehen) letzten, post-produktiven Schritte plötzlich ganz weit vorne stehen (relevanzmäßig). Man könnte hierbei geradezu von Signature Mastering sprechen, insofern der Mastering Engineer wie ein Künstlerautor seine Arbeit erkennbar signiert.

Wer dachte, dass im Medium Vinyl klanglich alles bereits ausformuliert sei, könnte mit Veröffentlichungen beispielsweise von Overlook, Mumdance, Logos, Klein, Dillon, Raime/Yally oder der Labels Silent Season, Hemlock, Dom & Roland Productions und Well Rounded Dubs, zu der Auffassung gelangen, dass dem nicht so sei, vielmehr Wege zu neuen, quasi-haptischen sonischen Skulpturen oder sounddesignten, kinetischen Klanglandschaften eingeschlagen worden sind, bei denen, parallel zur starken Aufwertung der Post-Produktion im Film, eine sehr deutliche Aufwertung der Post-Produktion in der Musik stattgefunden hat. Hier gilt es nun neu zu bestimmen, woher die Musik zu welchen Anteilen kommt: von den Musiker_innen, der Musiktechnik (Produktion) oder dem Mastering und Vinylcut (Post-Produktion)? Hollywood-Blockbuster entstehen inzwischen um die 80% in der Post-Produktion. Was passiert hier mit der Musik? Entsteht eine neue post-produktive Musik auf Vinyl?