Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung ist seit etwa Mitte der 2000er-Jahre die analoge Vinylschallplatte in einem robusten Nischenmarkt zu neuer Popularität gelangt. Der Beitrag analysiert dieses Warenobjekt aus einer kapitalismuskritischen Perspektive und ordnet es vier Warenformen der post-industriellen Ökonomie zu. Darauf aufbauend werden die der Vinylschallplatte inhärente Logik der Besonderung und damit zusammenhängende Singularisierungspraktiken aufgezeigt. Mit Blick auf unterschiedliche technische Ausstattungen mit Abspielgeräten und unterschiedliche Rezeptionsdispositive im Umgang mit Musik folgern die Autoren, dass mit der aktuellen Vinylkultur eine Spaltung der Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Die Kulturalität des Tonträgers verweist auf spezifische Verwobenheiten mit seinen Nutzern, was sich in vielschichtigen Praktiken, Narrativen und Mythen äußert. Der Beitrag argumentiert abschließend, dass die Vinylschallplatte ein Kristallisationspunkt für einen umfassenden, teils paradoxen gesellschaftlichen Diskurs über Modernisierungsprozesse ist, insbesondere über den Metaprozess der Digitalisierung.
Beitrag erschienen in:
Digitale Kommunikation und Kommunikationsgeschichte.
Perspektiven, Potentiale, Problemfelder
Herausgegeben von Christian Schwarzenegger, Erik Koenen, Christian Pentzold, Thomas Birkner & Christian Katzenbach
Berlin, 2022
DOI 10.48541/dcr.v10.0 (SSOAR) | ISBN 978-3-945681-10-7
Zusammenfassung des Buches: Es wird Zeit, Digitalisierung und digitale Medienkommunikation kommunikationshistorisch zu erforschen. Digitale Kommunikation präsentiert sich oft als weitgehend zeitlos in einem immerwährenden Jetzt. Dabei hat Digitalisierung eine immanente historische Dimension. Sie ist nicht nur seit mittlerweile mehreren Jahrzehnten an gesellschaftlichen Wandlungsprozessen beteiligt, sondern hat sich in dieser Zeit selbst weiterentwickelt und verändert. Erst durch eine langfristige Perspektive wird es möglich, zwischen Kontinuität und Wandel, der Transformation bestehender Kommunikationsphänomene und der Emergenz tatsächlich neuer Formen und Phänomene von Medienkommunikation im Kontext der Digitalisierung zu unterscheiden. Hierzu versammelt der Band Beiträge, die sich mit erkenntnisperspektivischen, methodologischen und quellenkundlichen Besonderheiten der kommunikationshistorischen Untersuchung digitaler Kommunikation befassen. Zudem leuchten die Beiträge die Potenziale digitaler Medien und digitaler Methoden für die Kommunikationsgeschichtsschreibung aus. So zeigt der Band auf, welche Fragen und Perspektiven möglich werden, wenn in langfristigen Perspektiven über digitale Medien und Kommunikation nachgedacht und geforscht wird. Das Buch will informieren, sensibilisieren, motivieren und hoffentlich auch inspirieren zu weiterer Forschung, die digitale Kommunikation und Kommunikationsgeschichte zusammendenkt, und die dazu beiträgt, der digitalen Kommunikation eine Vergangenheit zu geben.